Heute
ist Heiligabend.
Es
wird langsam dunkel, als wir uns auf den Weg machen. Wir
laufen einfach los und wollen sehen, wohin es uns treibt.
Ganz
still ist es und als wir durch die Felder laufen, ist es beinahe so,
als gäbe es nur uns auf dieser Welt. Und so ist es auch für eine
Weile. Ich sehe mich nochmal um. Schaue auf das kleine Dorf, in dem
wir nun leben und fühle mich für diesen Moment wie in einer Welt
von Tim Burton.
...der orangerote Himmel, die untergehende Sonne entflammt die tiefhängenden Wolken über den wenigen Häusern, windschiefen Scheunen und alten, knorrigen und verdrehten Bäumen, die sich in tiefem Schwarz erheben. Sie wirken, als seien sie eigentlich gar nicht da. Mehr wie ein Scherenschnitt. Und dahinter liegt das unendliche Schwarz der Zeit.
Rumpel entdeckt einen Ozean. Ein großes Loch im Feld, verdeckt von der Winterbegrünung und voll Wasser. Etwas finster dreinschauend steht er in seinem Ozean und schaut in den Himmel - Krähen. Auch sie werden zu Schatten, die Sonne verschwindet immer weiter unter dem Horizont.
Wir
gehen weiter. Vorbei an den wilden Apfelbäumen und durch schweres,
nasses Gras. Rumpel galoppiert im letzten Licht über ein Feld, einem
Schattenvogel hinterher. Bald aber dreht er ab und kommt mit
dampfendem Atem wieder zu mir. Wir bleiben einen Moment stehen und
sehen zu, wie die Sonne nun endgültig verschwindet.
Nur
wenige Wolkenfetzen hängen am Himmel. Es ist kalt, aber auch klar
genug, um Millionen Sterne dort oben zu sehen. Unglaublich, dass all
diese kleinen Lichtpunkte Totenfackeln sind. Ich habe mal gelesen,
dass Sterne nur leuchten, wenn sie bereits explodiert sind (oder was
immer sie tun).
Der
große Wagen, das einzige Sternbild, das ich mit Namen kenne,
begleitet wie jeden Abend unseren Weg. Der Mond ist fast voll und
taucht die Welt in ein Zwielicht.
Wir
kommen wieder am Dorf an und streifen durch die Gassen. Schauen in
die erleuchteten Fenster. Überall ist Weihnachten. Es wirkt
gemütlich und friedlich. Hier und da sehe ich Menschen in den
Stuben, fast überall glitzernde Bäume. Sie tun mir immer leid, weil
sie nur wenig Zeit geliebt werden. In ein paar Tagen oder Wochen
werden sie einfach weggeworfen. Heute Abend sind sie der Mittelpunkt,
aber sie sterben bereits. Fast wie die Sterne. Sie leuchten noch
einmal auf, aber ihrer Wurzeln beraubt, sind sie bereits tot.
Rumpel
und ich gehen heim. Dort erwartet uns kein Baum. Wir waren ja auch
gerade bei den Bäumen. Heute sind sie alle unsere Weihnachtsbäume.
Und bald sind sie wieder Apfelbäume, Tannen, Eichen,
Schattenspender, Wegbegleiter. Und in der Dämmerung auch Scherenschnitte in die Unendlichkeit.
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